"Betrüger kommen mir nicht in die Tüte": Bäckertüten mit Warnungen: So kämpft die Allgäuer Polizei gegen Anrufbetrüger

4. August 2022 14:48 Uhr
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Mit Bäckertüten soll im Allgäu jetzt vor Anrufbetrügern gewarnt werden.
Mit Bäckertüten soll im Allgäu jetzt vor Anrufbetrügern gewarnt werden.
Josef Brutscher

Anrufbetrüger sind im Allgäu ein sehr großes Problem geworden. Immer wieder erleichtern Callcenter-Betrüger vor allem ältere Menschen um größere Bargeldsummen, Schmuck oder andere wertvolle Gegenstände. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2022 erbeuteten Anrufbetrüger im Allgäu mit ihren Maschen über eine Millionen Euro. Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West hat nun genug davon. Zusammen mit dem "Kuratorium Sicheres Allgäu" (KSA) und den Allgäuer Bäckerinnungen hat sich das Präsidium etwas einfallen lassen: Auf Bäckertüten werden die Bürgerinnen und Bürger jetzt präventiv gewarnt.

"Betrüger kommen mir nicht in die Tüte"

"Ihre Tochter hat einen schweren Unfall gehabt und ist schuldig am Tod einer Person", so oder so ähnlich melden sich Anrufbetrüger im Allgäu in den letzten Jahren immer wieder bei Senioren am Telefon. Sie verwickeln die nichts ahnenden Menschen dann teilweise in stundenlange Gespräche und überzeugen sie, dass das Familienmitglied, in diesem Fall die Tochter, in Haft muss, sollte keine Zahlung erfolgen, die das abwendet.Erst im April wurde so eine Seniorin um 125.000 Euro betrogen. 

Fast täglich neue Fälle

Leider ist das jedoch kein Einzelfall. "Es vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht liest, dass wieder jemand Opfer eines solchen Betruges geworden ist", sagt der Lindauer Landrat und Präsident des KSA Elmar Stegmann dazu. Die Polizei hat deshalb jetzt zusammen mit dem KSA und den Bäckerinnungen eine Präventions-Kampagne ins Leben gerufen. Auf Bäckertüten wird nun mit dem Leitsatz "Betrüger kommen mir nicht in die Tüte" vor den Callcenter-Betrugen gewarnt.

2022 bereits über 1.300 Meldungen von Anrufbetrügern

Seit Beginn des Jahres, bis Ende Juni, zählte das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West schon über 1.300 Meldungen von Anrufbetrügereien. Davon waren die Täter in fast 170 Fällen erfolgreich. Und das obwohl das Wissen von diesen Betrugsfällen in der Bevölkerung eigentlich schon recht weit verbreitet ist, wie die Polizeipräsidentin des Präsidiums Schwaben Süd/West Claudia Strößner berichtet. "Im Stressfall schiebt man es aus dem Bewusstsein", sagt Strößner.

Geschickte Gesprächsführung der Betrüger

Diesen "Stressfall" heraufbeschwören, das können die Anrufbetrüger gut. Sie gehen nämlich hochprofessionell vor. In meist akzentfreiem Deutsch bis hin zur Verwendung des Heimatdialektes ihrer Opfer und mit geschickter Gesprächsführung setzen die Betrüger ihre Gesprächspartner unter Druck und locken mit Gewinnversprechungen. Die Menschen "sind meist in einer Art Tunnel und fangen erst an zu denken, wenn die Verbindung gekappt ist", beschreibt Strößner die Anrufe. Dann ist es manchmal jedoch bereits zu spät. 

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Bäckertüte soll potenzielle Opfer von Anrufbetrugen schützen

Aus diesem Grund bekommen die Bürgerinnen und Bürger jetzt in 105 Bäckerfilialen im Allgäu, wenn sie Brot und Semmeln kaufen, eine Bäckertüte mit Warnhinweisen. "Vorsicht am Telefon!" heißt es da ganz oben in Großbuchstaben. Es folgen Beispiele, wie Anrufbetrüger sich am Telefon melden. Auf der Rückseite heißt es dann: "Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichkeit!" Danach kommen Fragen, die man beantworten soll, bevor man Geld an Dritte weitergibt. Insgesamt 300.000 solcher Tüten wurden dafür hergestellt. Im Schnitt bekommt laut Gottfried Voigt von den Bäckerinnungen Memmingen Mindelheim jeder Bäcker 3.000 Tüten. Die reichen dann etwa für vier Wochen.

"Das ist nicht nur ein Stück Papier"

Zielgruppe der Präventions-Maßnahme sind hauptsächlich ältere Mitbürger. Senioren würden regional, um die Ecke, bei dem Bäcker ihres Vertrauens einkaufen, wie Margareta Böckh, die zweite Bürgermeisterin Memmingens es ausdrückt. Sie glaubt deshalb, dass die Tüten gelesen werden, und ist "froh und dankbar, dass diese Aktion jetzt starten kann." Derselben Meinung ist auch Werner Strößner, der Generalsekretär des KSA. "Man darf das nicht unterschätzen. Das ist nicht nur ein Stück Papier. Die Menschen verwenden es mittlerweile öfter", meint er. Dem Generalsekretär zufolge kämen die Menschen mit den Bäckertüten inzwischen sogar wieder zum Bäcker oder würden sie zuhause anderweitig verwenden.  Somit zeigt sich Strößner, genau wie die Polizeipräsidentin, der Landrat und die zweite Bürgermeisterin optimistisch, was die Präventions-Kampagne angeht. Gottfried Voigt bringt die Aktion auf den Punkt: "Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, dem ein oder anderen unseeligen Zeitgesellen sein nicht ehrbares Handwerk zu legen."