In der Abwärtsspirale: IHK Schwaben: Die Wirtschaft schlägt Alarm - Unternehmen verlieren Zuversicht

25. Oktober 2022 12:55 Uhr von IHK IHK Schwaben
Die bayerisch-schwäbische Wirtschaft ist momentan noch stabil. Allerdings zeigt eine Konjunkturumfrage der IHK Schwaben, dass Unternehmen angesichts der gestiegenen Kosten mit einer Verschlechterung rechnen. (Symbolbild)
Die bayerisch-schwäbische Wirtschaft ist momentan noch stabil. Allerdings zeigt eine Konjunkturumfrage der IHK Schwaben, dass Unternehmen angesichts der gestiegenen Kosten mit einer Verschlechterung rechnen. (Symbolbild)
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Noch zeigt sich die Geschäftslage der bayerisch-schwäbischen Wirtschaft robust. Die Erwartungen haben sich allerdings dramatisch verschlechtert. Der IHK-Konjunkturklimaindex sinkt im Vergleich zum Frühjahr 2022 um 25 auf 85 Punkte. „Unsere industriellen Strukturen drohen langfristig Schaden zu nehmen“, stellt Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, bei der Vorstellung der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage fest.

Gestiegene Energiekosten das größte Risiko 

Das mit weitem Abstand größte Risiko der wirtschaftlichen Entwicklung sind die Energiepreise. IHK-Präsident Dr. Andreas Kopton: "Die Kostensteigerungen für Energie und Arbeit, stockende Lieferketten und die sinkende Inlandsnachfrage haben sich zu einem gefährlichen Krisencocktail entwickelt. Jetzt ist die Politik gefordert, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen zu sichern."

800 Unternehmen befragt

Vom 26. September bis 10. Oktober 2022 hat die IHK Schwaben einen repräsentativen Querschnitt ihrer Mitgliedsunternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen zur aktuellen Lage, den künftigen Erwartungen und den größten konjunkturellen Risiken befragt. Über 800 Unternehmen haben geantwortet. Die Ergebnisse stellte die IHK Schwaben im Rahmen eines Pressegesprächs vor.

Stabile Lage, katastrophale Erwartungen

Obwohl der IHK-Konjunkturklimaindex als geometrisches Mittel aus Geschäftslage und Erwartungen eingebrochen ist, zeigt sich die aktuelle gesamtwirtschaftliche Lage weiterhin robust. Lucassen: "Die regionale Wirtschaft steckt das dritte Jahr in Folge im Krisenmodus fest. Die gute Nachricht lautet aber auch: Die Wirtschaft stemmt sich bislang erfolgreich gegen die Krise." So beurteilen lediglich 15 Prozent der Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als schlecht, dagegen 85 Prozent als gut oder befriedigend. "Die wirtschaftlichen Folgen dieses Krisencocktails nehmen allerdings immer mehr Unternehmen ihre Zuversicht. So erwartet zwischenzeitlich jedes zweite Unternehmen, dass sich die Geschäftslage deutlich verschlechtern wird", erklärt der IHK-Hauptgeschäftsführer den Rekordrückgang des IHK-Konjunkturklimaindex im Herbst 2022.

Unterschiede zwischen den Branchen und Regionen sind eher gering

Die Branchen ähneln sich in ihrer konjunkturellen Einschätzung. Ausnahmen sind die unternehmensnahen Dienstleistungen und das Transportgewerbe, die sich als nachgelagerte Wirtschaftszweige etwas optimistischer zeigen. Alle übrigen Branchen, wie das Reise- und Gastgewerbe, die Industrie und die Bauwirtschaft sowie der Groß- und Einzelhandel verlieren dagegen stark an Zuversicht. Übertragen auf die bayerisch-schwäbischen Regionen führt diese Branchenentwicklung dazu, dass alle Landkreise und kreisfreien Städte an Boden verlieren, wobei sich das Allgäu noch etwas robuster zeigt als der übrige Regierungsbezirk.

Schleppender Außenhandel trifft die Industrie, Deindustrialisierung droht

"Die Industrie ist besonders stark von den rückläufigen Entwicklungen auf den internationalen Märkten betroffen", so Lucassen. So hat sich das Auftragsvolumen aus China in Folge der dortigen Null-Covid-Strategie ebenso stark verringert, wie das aus Ost- und Südeuropa – getrieben durch die Sanktionspakete der EU. Und auch die Nachfrage aus dem Euro-Raum und den USA sinken. Lucassen dazu: "Die Industrie kommt gerade von vielen Seiten unter Druck. Der Produktionsstandort Deutschland steht in Frage – von Produktionsverlagerungen ins Ausland bis hin zur Schließung ganzer Fertigungsbereiche."

Risiken steigen auf Rekordniveau

Die wirtschaftlichen Risiken sind in Summe nochmals gestiegen. Die größten Risiken sind quer über alle Branchen hinweg die stark steigenden Energie- und Rohstoffpreise (82 Prozent) sowie der Fachkräftemangel (60 Prozent). "Die von den hohen Energiepreisen und dem Fachkräftemangel ausgehenden Risiken verharren auf einem Rekordniveau. Hinzu kommen für die jeweils die Hälfte aller Unternehmen die sich abkühlende Inlandsnachfrage sowie die steigenden Arbeitskosten", erläutert Lucassen. Die zweistellige Inflationsrate drückt auf die Kauflaune der Endverbraucher, der erhöhte Mindestlohn führt neben den steigenden Tariflöhnen zu höheren Arbeitskosten. Für 59 Prozent der Einzelhändler ist die Inlandsnachfrage daher zu einem großen Risiko geworden, 55 Prozent der unternehmensnahen Dienstleister sorgen sich um die hohen Arbeitskosten.

Forderungen an die Politik

Wettbewerbsfähigkeit erhalten: Energiekrise meistern, Fachkräfte sichern und Bürokratie abbauen "Vordinglichste Aufgabe der Politik ist es, den rasanten Anstieg der Energiepreise zu stoppen. Das vorliegende Paket der Bundesregierung wird diesem Ziel gerecht. Wichtig ist allerdings, dass die Hilfe schnell ankommt", stellt Kopton mit Blick auf die Vorschläge der Gastkommission fest. Mittel- und langfristig lässt sich das Kostenproblem allerdings nur durch eine Ausweitung des Angebots und einer Reduzierung des Verbrauchs erreichen. Kopton: "Mehr Angebot und weniger Nachfrage lässt die Energiepreise sinken, staatliche Zuschüsse sind kurzfristig richtig, doch auf lange Sicht keine Lösung."

Fachkräftemangel bekämpfen

Auch der Fachkräftemangel lässt sich nach Überzeugung der IHK Schwaben nur mit einer nachhaltigen Strategie lösen. "Durch mehr Aus- und Weiterbildung sowie eine gezielte Einwanderung in den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt können wir den Fachkräftemangel entschärfen", so Kopton. Die bürokratischen Anforderungen an die Wirtschaft müssen dem IHK-Präsidenten zu Folge jedoch zügig reduziert werden: "Die Unternehmen haben eine Verschnaufpause verdient. Daher sollten Vorhaben wie beispielsweise die europäische Chemikalien-Verordnung (REACH) oder das EU-Lieferkettengesetz in Krisenzeiten ausgesetzt werden. Die IHK-Vollversammlung hat sich bereits im Frühsommer einstimmig für ein entsprechendes Belastungsmoratorium ausgesprochen". Kopton abschließend: "Die Stimmung ist schlecht, aber wir können sie drehen. Der unternehmerische Wille ist da, jetzt ist die Politik am Zug."

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