"Aktion Geldumschlag": Kripo Kempten warnt mit 20.000 Geldumschlägen vor Callcenterbetrug

25. Oktober 2022 16:31 Uhr
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Mit Briefumschlägen sollen Bankkunden in Zukunft präventiv vor Anrufbetrügereien gewarnt werden.
Mit Briefumschlägen sollen Bankkunden in Zukunft präventiv vor Anrufbetrügereien gewarnt werden.
Josef Brutscher

Callcenter-Betrüger überschwemmen ganze Regionen immer wieder mit Betrugswellen. Auch im Allgäu werden fast täglich Menschen Opfer eines Anrufbetrugs. Obwohl das Problem und die Maschen bekannt sind, erbeuten die Betrüger jährlich riesige Geldsummen. Der Polizei fällt es oft schwer, die teils hochprofessionell arbeitenden Täter hinter diesen Betrugen zur Verantwortung zu ziehen. Deshalb setzt die Polizei auf Prävention. Am Dienstag informierte und sensibilisierte die Kripo Kempten Bankmitarbeiter bei der "Aktion Geldumschlag". Ein neuer Geldumschlag mit Präventionshinweisen soll Bankkunden vor Trickbetrug warnen.

1,6 Mio. Euro Beute und 500 Prozent mehr Schockanrufe allein 2022

"Oma, Oma, ich habe Mist gebaut", schluchzt ein Stimme am Telefon. So beginnen manche Callcenter-Betrüger ihre Schockanrufe am Telefon. Das einzige Ziel dabei: ahnungslose und gutgläubige Menschen um ihre Ersparnisse oder Wertsachen bringen. Und das funktioniert: Mit Schockanrufen machten die Callcenter-Betrüger allein im Bereich der Kriminalpolizei Kempten dieses Jahr bereits 1,6 Millionen Euro Beute. Im Vergleich zum Vorjahr (über 235.000 Euro Beute im ganzen Jahr 2021) ist die Zahl der erfolgreichen Anrufbetrügereien zudem um unglaubliche 500 Prozent gestiegen. "Immer wieder übergeben Betrugsopfer an der Haustüre oder an vereinbarten Treffpunkten Bargeldbeträge oder Wertgegenstände im fünfstelligen Eurobereich an angebliche Polizeibeamte", sagt Josef Ischwang, der Leiter der Kripo Kempten.

Prinzip Masse und hochprofessionelle Anrufe

Eigentlich erkennen viele Bürgerinnen und Bürger die Betrugsversuche, doch die Täter setzen bei ihren Anrufen nach dem Motto "bei vielen ist bestimmt einer dabei" auf das Prinzip Masse. Gerade die Schockanrufe scheinen bei den Callcenter-Betrügern gerade beliebt zu sein. "Die Täter haben wohl festgestellt, dass diese Masche funktioniert", meint Ischwang, der am Dienstag zahlreiche Vertreter von Allgäuer Banken über die aktuellen Maschen der Betrüger informierte. Die Täter agieren Ischwang zufolge bei ihren Anrufen hochprofessionell. Sie trainieren Amts- oder Polizeisprache, um bei den Anrufern glaubwürdig zu erscheinen, sie täuschen bei ihren Anrufen reale Nummern, wie die 110 oder die Nummer des BLKA vor und sie bauen durch psychologische Tricks einen so großen psychischen Druck auf, dass die Opfer nicht mehr rational denken. 

Täter versetzen Opfer in einen Schockzustand

Die Täter beschwören bei den Opfern regelrecht einen Schockzustand herauf, wie Wolfgang Sauter, der früher Leiter der Kripo Kempten war und nun Seniorenberater bei dem Präventionsprojekt "Senioren informieren Senioren" ist. Eine Frau stand eine halbe Stunde lang weinend vor ihm, erzählt er. Irgendwann brachte sie dann gegenüber Sauter die Worte "Meine arme Maria, sie hat jemanden totgefahren" zustande. Sie war in einem derartigen Schockzustand, dass sie die Geschichte, die ihr am Telefon verkauft wurde, nicht mehr logisch erfassen konnte, und war es sogar zwei Tage danach noch, erklärt Sauter. 

Prävention als wichtige Waffe im Kampf gegen die Anrufbetrüger

Das zeigt, wie gut die Anrufbetrüger ihre "Legenden" von Verwandten in Not erzählen und wie leicht es sein kann, auf so einen Betrug hereinzufallen. Deshalb ist Prävention der Bürgerinnen und Bürger eine der wichtigen Waffe der Polizei. Schon im August startete aus diesem Grund die Präventionskampagne "Betrüger kommen mir nicht in die Tüte". Dabei wurden Warnungen vor Anrufbetrügern auf Bäckertüten abgedruckt, um Aufmerksamkeit und Wachsamkeit zu erzeugen.

Bäckertüten mit Warnungen: So kämpft die Allgäuer Polizei gegen Anrufbetrüger

"Aktion Geldumschlag" startet mit 20.000 Kuverts

Jetzt hat die Kripo Kempten ein ähnliches Projekt ins Leben gerufen: Mit der "Aktion Geldumschlag" sensibilisiert die Polizei zum einen Bankmitarbeiter, zum anderen bekommen die Banken einen neuen Geldumschlag mit Präventionshinweisen. Er soll Bankkunden verdachtsunabhängig ausgehändigt werden und warnt sie so vor Trickbetrug. Potentielle Opfer von Callcenter-Betrügern sollen so im besten Fall außerdem eine mögliche Geldübergabe hinterfragen. Zunächst gehen bei dem Pilotprojekt 20.000 Kuverts mit Warnhinweisen an die Banken.

Auf den Umschlägen steht:

Bitte beantworten Sie folgende Fragen, bevor Sie Geld an Dritte weitergeben:

  • Wurden Sie angerufen?
  • Sollen Sie noch heute Geld übergeben?
  • Hat sich der Anrufer als Familienangehöriger, Polizist, Arzt, Notar, Richter etc. ausgegeben?
  • Sollen Sie Geld an eine unbekannte Person übergeben?
  • Sollen Sie etwas überweisen oder eine Geldwertkarte kaufen?

Können Sie zwei oder mehr Fragen mit JA beantworten? Wenden Sie sich an die Polizei. Wählen Sie die 110! "Bei Verdacht haben sie keine Scheu, die 110 zu rufen. Wir kommen lieber einmal zu viel als zu wenig", richtete sich Ischwang zum Schluss der Informationsveranstaltung abschließend an die Bürgerinnen und Bürger.

Achtung Abzocke! Das sind die aktuellen Maschen von Profi-Betrügern

Meist keine Festnahme der Betrüger

Zwar versucht die Polizei auch durch verdeckte Ermittlungen oder taktische Betreuung von angerufen Opfern die Hintermänner oder zumindest die Geldabholer ausfindig zu machen, doch Festnahmen sind eher selten. Christoph Stachel, ein Ermittler bei der Kripo Kempten nannte als Beispiel eine Fall vom 24. März 2021, bei dem eine weibliche Täterin durch DNA-Spuren an einem Stoffbeutel, der zur Übergabe diente, identifiziert werden konnte. Später konnte die Frau zusammen mit einem Geldabholer festgenommen werden.