Illegale Bachbegradigung bei Oberstdorf: Rappenalpbach: Umweltminister Glauber "froh über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft"

23. November 2022 12:18 Uhr von Katharina Knoll
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hat sich am Rappenalpbach bei Oberstdorf selbst ein Bild der Lage gemacht.
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hat sich am Rappenalpbach bei Oberstdorf selbst ein Bild der Lage gemacht.
Benjamin Liss

Die illegalen Baggerarbeiten am Rappenalpbach in Oberstdorf schlagen bayernweit hohe Wellen: Der Bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) hat jetzt Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Kempten erstattet. Am heutigen Mittwoch hat sich außerdem Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) selbst ein Bild der Lage gemacht. Und welche Auswirkungen die Bauarbeiten auf die Tierarten im Bach hatten, hat zwischenzeitlich der Bund Naturschutz untersucht. 

Umweltminister Glauber "froh über Ermittlungen"

Zusammen mit der Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler), dem Oberstdorfer Bürgermeister Klaus King und Vertretern der zuständigen Behörden hat Glauber die Arbeiten am Bach unter die Lupe genommen. Der liegt nicht nur im Naturschutzgebiet "Allgäuer Hochalpen", das Tal ist auch FFH-Gebiet sowie SPA-Gebiet und damit besonders geschützt. Glauber sagte den Pressevertretern vor Ort, er sei "froh, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt" und versicherte seine volle Unterstützung bei den Ermittlungen. Doch die Zeiten, in denen sich der Rappenalpbach ab der Schwarzen Hütte durch ein breites Bachbett schlängelte, sind vorbei. Auf einer Strecke von 1,5 Kilometer wurde der Bach begradigt - und zwar illegal. Dadurch ging wertvoller Lebensraum vor allem für Insekten verloren. 

LBV erstattet Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Kempten

Gegen dieses Vorgehen hat nun der Bayerische Naturschutzverband LBV Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Kempten erstattet, wie er in einer Pressemitteilung bekannt gibt. "Der zerstörte Bereich des Rappenalpbaches war als wertvoller Lebensraum besonders geschützt, sowohl als deutsches Naturschutzgebiet als auch als europäisches FFH-Schutzgebiet", erklärt  LBV-Geschäftsführer Helmut Beran. "Der erfolgte Eingriff hat den betroffenen Teil des Bachs über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte massiv geschädigt. Seltene Tier- und Pflanzenarten haben hier einen bedeutendes Ökosystem verloren", kritisiert Beran weiter.

Schutzzweck "ad absurdum" geführt

Bei dem betroffenen Bereich handelte es sich laut LBV um den einzigen Bereich des Rappenalpbaches, der bisher weitläufige Schotterfluren und einen mäandernden Wasserlauf aufwies. Die strenge Schutzgebietsverordnung diente unter anderem dazu, das natürliche Gewässer zu erhalten und die fließgewässertypische Eigendynamik wiederherzustellen. Doch die massiven Bauarbeiten führen den Schutzzweck nun "ad absurdum", beklagt der  LBV-Geschäftsführer. Die Baggerarbeiten hätten die wasserführende Schicht der Gewässersohle so beschädigt, dass das Wasser im Untergrund versickert und der Bach abschnittsweise trockengefallen ist.

Folgen seien schlimmer als befürchtet

"Ob sich diese Schäden jemals wieder beheben lassen, ist fraglich", betont der LBV-Biologe Beran. Der Eingriff habe auch Lebensräume geschützter Arten wie Geflecktem Knabenkraut, Sumpfherzblatt und seltener Schmetterlingsarten für viele Jahre zerstört.  Auch der Bund Naturschutz in Bayern hat sich den Bach genauer angeschaut. Sein Fazit: Die Folgen seien schlimmer als befürchtet, heißt es in einer Pressemitteilung. "Was hier passiert ist, kann man eigentlich nicht in Worte fassen. Es blutet einem das Herz, wenn man sieht, dass diese faszinierende Wildbachlandschaft mit einem Schlag zerstört wurde", so der BN-Vorsitzende Richard Mergner.

Gewässerkleinlebewesen seien verschwunden

Alfred Karle-Fendt aus der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu, der den Umweltfrevel nach eigenen Angaben entdeckt hatte, erklärt: "Am dramatischsten ist die Zerstörung der Bachsohle. Gewässerkleinlebewesen wie Würmer, Schnecken, Muscheln sowie Krebstiere sind vollständig verschwunden. Ich habe an verschiedenen Stellen Steine umgedreht, es sind keine Reste von Larven vorhanden." Durch die Vernichtung der angrenzenden Fauna seien seltene Arten wie alpine Steinfliege, Köcherfliege, Eintagsfliege, Idas-Bläuling, Rotflügelige Schnarrschrecke, Türksche Dornschrecke, Thymian-Ameisenbläuling, Mühlkoppe oder Flussuferläufer vernichtet worden. "Auch der Alpensalamander ist sicher bei den Baggerarbeiten getötet worden", meint Karle-Fendt. 

Verantwortliche sollen zur Rechenschaft gezogen werden

Sowohl der LBV als auch der Bund Naturschutz pochen darauf, dass die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Beide erhoffen sich von dem Urteil zudem eine Signalwirkung für die Zukunft. "Verstöße gegen naturschutzrechtliche Verordnungen sind kein Kavaliersdelikt und müssen konsequent strafrechtlich geahndet werden", so der LBV-Geschäftsführer Beran.

BN fordert Haftung für Rückbaukosten

Außerdem sollten die Verantwortlichen für die Kosten des Rückbaus und eines Ausgleichs haftbar gemacht werden, fordert der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe. Der BN hat auch schon eine klare Vorstellung davon, was dafür nötig ist: Eine gutachterliche Feststellung und Bewertung durch unabhängige Fachbüros, eine Rückbauplanung mit Orientierung am Vorzustand, eine durchgängige ökologische Baubegleitung durch ein unabhängiges Fachbüro und ein langjähriges Monitoring, um zu sehen, wie sich die Gewässerdynamik entwickelt und welche Tierarten sich wieder ansiedeln. Außerdem fordert der BN Ausgleichsmaßnahmen, wie beispielsweise das Flussbett auf bestehende Alpweiden zu erweitern.