Ehemaliger Bundespräsident zu Gast im Allgäu: Joachim Gauck besucht Memmingen und liest aus seinem Buch

23. November 2022 17:04 Uhr von Redaktion all-in.de
Bundespräsident a.D. Joachim Gauck spricht in der Martinskirche.
Bundespräsident a.D. Joachim Gauck spricht in der Martinskirche.
A. Wehr/ Pressestelle Stadt Memmingen

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck war zu Besuch in Memmingen. Er trug sich ins Goldene Buch der Stadt ein, ehe er in der Martinskirche aus seinem Buch „Toleranz: einfach schwer“ las. 

Ein "heiliger Ort der deutschen Demokratiegeschichte"

Oberbürgermeister Manfred Schilder (CSU) hieß den früheren Bundespräsidenten in der Stadt willkommen. „Ich bin ein Liebhaber der Freiheit und bin eingeladen in eine Stadt der Freiheit“, erklärte  Gauck in der Kramerzunft, wo er sich ins Goldene Buch der Stadt eintrug. „Wenn es in der Politik die Dimension des Heiligen gäbe, wäre dies ein heiliger Ort der deutschen Demokratiegeschichte“, betonte er mit Blick auf die Kramerzunft als Versammlungsort der Bauern und der Niederschrift der Zwölf Artikel im Jahr 1525. Ehrenbürger Herbert Müller erläuterte die historische Dimension der Ereignisse von 1525, was Gauck mit großem Interesse verfolgte. „Wir werden noch zu tun haben, das was wir lieben, die Freiheit, zu verteidigen“, betonte Gauck.

"Lebendige Zivilgesellschaft mit vielen Vereinen"

Er reise gerne in den Süden und den Südwesten Deutschlands, erklärte Gauck beim Eintrag ins Goldene Buch. „Ich hatte immer das Gefühl, hier beheimatet mich etwas, der Bürgersinn, die lebendige Zivilgesellschaft mit so vielen Vereinen und stabilen Netzwerken. Ich sage Ihnen, so etwas ist nicht selbstverständlich. So etwas wächst in Freiheit.“ In seiner anschließenden Lesung in der gut gefüllten Martinskirche erklärte Gauck: „Die schönste Form der Freiheit ist Verantwortung zu leben.“ Rund 650 Besucherinnen und Besucher hörten seinen Vortrag über Toleranz als unverzichtbare Grundhaltung in einer Demokratie.

Hagemeier stellt Eckdaten aus Gaucks Leben vor

Ulrich Hagemeier, Chefredakteur der Allgäuer Zeitung, der im Anschluss an die Lesung ein kurzes Gespräch auf dem Podium mit Joachim Gauck führte, stellte Eckdaten aus Gaucks Leben vor. 1940 in Rostock geboren, studierte Joachim Gauck evangelische Theologie und war als Pastor tätig. Er war Mitinitiator der Protestbewegung in der DDR und wurde 1990 in den ersten freien Wahlen der DDR in die Volkskammer gewählt. Von 1990 bis 2000 war Joachim Gauck Bundesbeauftragter für Stasi-Unterlagen. Von 2012 bis 2017 amtierte er als elfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschlands. Als Kind musste er erleben, dass der Vater willkürlich abgeholt wurde und für Jahre spurlos verschwand, erzählte Joachim Gauck in seinem Vortrag. Der Vater war in ein sibirisches Arbeitslager gebracht worden. Die Familie wurde darüber nicht informiert.

Gauck ermutigt zur politischen Debatte

Er habe früh eine ablehnende Haltung gegenüber dem SED-Regime verinnerlicht, erzählte Gauck. Menschenwürde, Recht, Verantwortung und Toleranz seien als Begriffe in seiner Familie nicht verwendet worden, aber als Haltung vermittelt. In seinem Buch „Toleranz: einfach schwer“ ermutigt Gauck zur politischen Debatte. „Dieses Land muss aufwachen aus der Wohlstandssicherheit“, betonte er und las aus dem Schlusskapitel seines Buches: „Würde, Unversehrtheit, Freiheit und Recht. Es wird sich immer und immer wieder lohnen, dafür zu streiten mit Verantwortungsbewusstsein, mit Mut und – mit kämpferischer Toleranz.“

Gauck ruft zur Hilfe für die Ukraine auf

In manchen Situationen gebe es allerdings auch eine Pflicht zur Intoleranz, betonte Gauck. Als Beispiel führte er Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine an. „Es gibt ganz klar einen Täter, der Schritt für Schritt Gebiete besetzt hat“, betonte Gauck. Mit Blick auf die Ukraine erklärte er: „Wir müssten eigentlich mit ihnen kämpfen gegen ihre Unterdrücker, aber dann müssten wir fürchten wieder einen Weltkrieg zu haben und das will kein Staat in Europa. Also müssen wir alles tun, um Ihnen zu helfen. Wir sind an der Seite der Opfer, der Freiheit.“