Motten, Larven, abgelaufene Zutaten: "Ekelerregende" Zustände: Landratsamt schließt Lindauer Backwarenbetrieb

13. Dezember 2022 15:32 Uhr von Redaktion all-in.de
Bei einem Backwarenhersteller in Lindau wurden unter anderem Lebensmittelmotten in allen Bereichen des Betriebs gefunden. (Symbolbild)
Bei einem Backwarenhersteller in Lindau wurden unter anderem Lebensmittelmotten in allen Bereichen des Betriebs gefunden. (Symbolbild)
IMAGO / Steffen Schellhorn

Das Landratsamt Lindau hat einen Lindauer Betrieb zur Herstellung von Backwaren schon vor Monaten dicht gemacht. Der Grund: Verstöße gegen Hygienevorschriften. Die Liste der Mängel ist zum Teil ekelerregend. Laut Landratsamt waren die Verstöße des Unternehmens schwerwiegender als in den Jahren 2017 und 2020, als das Gesundheitsamt in diesem Backwarenbetrieb (Anm. d. Red.: KEINE Bäckerei!) bereits Hygieneverstöße angemahnt hatte. Das Unternehmen ist für Anfragen nicht erreichbar.

Das sind die wesentlichen Mängel laut Landratsamt:

  • Starker Schädlingsbefall (Lebensmittelmotten) und kein ausreichendes Schädlingsmonitoring in allen Bereichen des Betriebs. Sowohl in Ausgangsprodukten als auch in fertigen Produkten und für den Versand bereit gehaltener Ware wurden Motten oder Mottenlarven festgestellt.
  • Keine Trennung von unreinen Bereichen (z.B. Anlieferung, Lagerung, Grobreinigung von Lebensmitteln, etc.) und reinen Bereichen (Zubereitung, Zwischenruhe, etc.). So war Kontamination möglich.
  • Mängel in Bezug auf die allgemeine Betriebshygiene: Schadstellen an Wänden und Decken (abblätternder Putz), kein Handwaschbecken für Kalt- und Warmwasser, fehlendes Reinigungskonzept.
  • Mängel hinsichtlich der Temperaturkontrollerfordernisse (Kühlung). Insbesondere wurde festgestellt, dass das Speiseeis in der Verkaufstruhe mehrmals angetaut und wieder eingefroren war.
  • Keine Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeitende, die mit Lebensmitteln umgehen.
  • Kein Rückverfolgbarkeitssystem: Lebensmittelunternehmer müssen stets nachvollziehbar darlegen können, wann und von wem sie ein Lebensmittel oder Rohmaterial erhalten haben (eine Stufe zurück) und wann und an wen sie Lebensmittel abgegeben haben (eine Stufe vor). Ausnahme ist die Abgabe an Endverbraucher.
  • Abgelaufene Ware: Zahlreiche Lebensmittel und Zutaten waren lange abgelaufen (manche sogar Mindest-Haltbarkeits-Datum 2016!).

Das Gebäck wurde als "Ekel erregend" und "nicht für den Verzehr geeignet" beurteilt. Sibylle Ehreiser, Sprecherin des Landratsamtes, erklärt auf Nachfrage vonall-in.de, dass gemäß einer EG-Verordnung Lebensmittel als nicht sicher gelten, wenn davon auszugehen ist, dass sie für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. "Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, ist zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist", so Ehreiser. Dazu gehöre auch der Befall mit Maden und Motten.

Schon seit über 3 Monaten dicht

Seit Anfang September ist der Betrieb bereits geschlossen. Das Lindauer Gesundheitsamt hatte laut einer Veröffentlichung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) schon am 1. September diesen Jahres die entsprechenden Verstöße festgestellt. Die Verstöße laut LGL:

  • Mängel bei der Betriebshygiene/ Reinigungsmängel
  • Mängel bei der Schädlingsbekämpfung
  • Inverkehrbringen von nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln
  • Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln
  • Nicht unverzügliche Rücknahme nicht sicherer Lebensmittel

Demnach sind die Produkte Pralinen, Florentiner und Speiseeis betroffen, und zwar "sämtliche im Betrieb vorhandene Ware". Laut Ehreiser vom Landratsamt wurde der Betrieb mit mündlicher Anordnung vom 2. September sofort geschlossen. "Diese Anordnung wurde mit schriftlichem Bescheid vom 7.9.2022 bestätigt", so Ehreiser.

So geht es mit dem Betrieb weiter:

DasGesundheitsamthat in insgesamt 12 Punkten dem Verantwortlichen aufgegeben, die Mängel zu beseitigen. "Bis zur Erfüllung aller Punkte sind Produktion, Verarbeitung und Vertrieb untersagt", so das Landratsamt. Der Betrieb ist aktuell geschlossen, daher überprüft das Landratsamt die Mängelbeseitigung nicht von sich aus. Stattdessen muss der Lebensmittelunternehmer in Eigenverantwortung die Mängel beseitigen und dann beim Gesundheitsamt die Abnahme des Betriebs veranlassen. Eine Frist gibt es hierfür nicht. "Es liegt aber in der Regel im Interesse eines Betreibers, seinen Betrieb so bald als möglich wieder aufnehmen zu können", so Ehreiser. Ob und wann der Backwarenbetrieb also wieder öffnet, hängt demnach von ihm selbst ab.

Unternehmen von der Bildfläche verschwunden

Die Redaktion vonall-in.dewollte selbstverständlich auch Rücksprache mit dem Unternehmen halten. Allerdings sind die im Internet verfügbaren Telefonnummern nicht (mehr) existent. Eine Webseite ist nicht zu finden. Eine Facebookseite, die offenbar zum Unternehmen gehört, weist eine Emailadresse auf. Über diese hat die Redaktion versucht, Kontakt aufzunehmen und schriftlich Fragen geschickt - keine Reaktion.