Skispringen in Bischofshofen: Granerud triumphiert bei Vierschanzentournee - deutsche Skispringer sind chancenlos

6. Januar 2023 19:44 Uhr von dpa
Halvor Egner Granerud (Norwegen) jubelt nach dem Sieg der Vierschanzentournee mit der Trophäe.
Halvor Egner Granerud (Norwegen) jubelt nach dem Sieg der Vierschanzentournee mit der Trophäe.
picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Erst der dritte Einzelsieg, dann direkt Party mit norwegischer Fahne: Halvor Egner Granerud heißt der neue Skisprung-Triumphator bei der Vierschanzentournee. Er gewann am Dreikönigstag das abschließende Springen in Bischofshofen und sicherte sich den Gesamtsieg der Tournee. Die Deutschen waren dagegen komplett chancenlos.

Schlechtestes Abschneiden seit zwölf Jahren

Tournee-König Halvor Egner Granerud genoss seinen Triumph mit norwegischer Fahne auf den Schultern seiner Kollegen, die deutschen Skispringer wollten nach der historischen Schlappe nur noch abreisen.

"Ich bin froh, dass es jetzt heim geht. Wir müssen Rückgrat beweisen und uns der Sache stellen. Es hat nicht sollen sein", sagte der erneut schwer geschlagene Oberstdorfer Karl Geiger. Kein Deutscher unter den besten Zehn der Gesamtwertung der Vierschanzentournee, so etwas hat es zuletzt vor zwölf Jahren gegeben. Und selbst da war das Abschneiden besser.

Kubacki muss sich geschlagen geben

Granerud konnte das nach der nächsten Flugshow in Bischofshofen (139,5 und 143,5 Meter) egal sein, seine Kollegen rannten direkt im Auslauf zum Sieger. Der polnische Dauerrivale Dawid Kubacki, der sich als Tournee-Zweiter geschlagen geben musste, gratulierte am Freitag als einer der Ersten im Auslauf der riesigen Schanze in Bischofshofen. "Dieser Erfolg ist atemberaubend. Ich habe davon so lange geträumt", sagte Granerud, der Norwegens 16 Jahre lange Tournee-Flaute beendete und sich im Moment des Sieges daran erinnerte, welche Springer er als Kind im TV hatte fliegen sehen.

Wellinger ist mit Platz elf bester Deutscher

"Das ist unglaublich, wie der fliegt. Der macht grad ganz schön was richtig. Das sieht einfach nur schön aus", sagte Philipp Raimund vom SC Oberstdorf über den erstmaligen Tournee-Sieger. Andreas Wellinger auf Gesamtrang elf und Raimund als 13. waren in einer desolaten deutschen Mannschaft noch die besten - mit der Weltspitze hatten sie aber auch nichts zu tun.

Geiger landet auf Platz 23

"Jetzt ist langsam der Ofen aus. Es waren turbulente Tage, aber auch viele unschöne Sachen dabei", analysierte Führungsspringer Geiger, der als Hoffnungsträger ausgemacht wurde. Rang 51 in Innsbruck und nun Platz 23 in Bischofshofen zählen zu den schwersten Niederlagen seiner bisherigen Laufbahn. Graneruds Triumph, für den es neben seinem Gesamtweltcup-Titel 2020/21 der größte Erfolg war, geriet im Duell mit Kubacki nicht mehr groß in Gefahr. Der 26-Jährige krönte vor 14.000 Zuschauern Norwegens Durststrecke, die seit dem Titel von Anders Jacobsen im Januar 2007 andauerte. Das Gesamtpodest komplettierte als Dritter Anze Lanisek aus Slowenien. Das Trio hatte die gesamte Tournee geprägt. Beim letzten Springen in Bischofshofen wurde der Slowene Zweiter vor dem Polen Kubacki. 

Bundestrainer spricht von "bitterste Phase" seiner Amtszeit

Für das deutsche Team endete das Sprungspektakel so trist wie lange nicht. Die Schützlinge von Bundestrainer Stefan Horngacher waren gegen die furios fliegende Weltspitze erneut chancenlos. Horngacher hatte schon vor dem ernüchternden Schlusswettbewerb gesagt, dass es sich derzeit um die bitterste Phase in seiner dreieinhalbjährigen Amtszeit handelt.

Nächstes großes Ziel: Weltmeisterschaft

Der erste Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2002 war schon ab dem Neujahrsspringen überhaupt kein Thema mehr. "Wir haben sehr gut begonnen in Oberstdorf und dann überhaupt nicht mehr Schritt halten können. Es war eine schwierige Tournee für alle Beteiligten", sagte Chefcoach Horngacher. Das nächste große Ziel sei die WM, fügte der 53 Jahre alte Tiroler an. "Jetzt müssen wir erst mal die Emotionen sacken lassen und dann können wir wieder gerade denken."

Ausgelassene Party in Bischofshofen

Erstmals seit drei Jahren waren beim traditionellen Tournee-Finale am Dreikönigstag wieder Zuschauer zugelassen. Schon um die Mittagszeit lief deshalb in dem beschaulichen Ort im Pongau eine ausgelassene Party mit lauter Musik und mehreren großen Bühnen. Drei Fans kamen passend zum Anlass verkleidet als "Heilige Drei Bierkönige" mit Schaumkronen auf dem Kopf. In den Wirtschaften wurde als Appetitmacher der "Stefan-Kraft-Springer-Toast" zu Ehren von Österreichs Topflieger serviert. Für Gelb-Träger Kubacki begann der Tag mit einer besonderen Nachricht. Seine Frau Marta brachte in der Heimat das zweite gemeinsame Kind zur Welt. "Das Baby ist während unseres Warm-ups zur Welt gekommen. Ich habe ihn nur mit einem Riesensmile gesehen. Es geht ihm sehr gut", sagte Polens Cheftrainer Thomas Thurnbichler in der ARD. Schon das erste Kind Kubackis war während der Vierschanzentournee zur Welt gekommen - vor zwei Jahren hatte er danach direkt das Neujahrsspringen gewonnen.

Es ging nur um Schadensbegrenzung

Für die deutschen Athleten ging es nach dem Debakel vom Bergisel nur noch um Schadensbegrenzung. Im Verlauf der 71. Tournee lief es für das Horngacher-Team immer schlechter. Nach ordentlichem Oberstdorf-Auftakt folgte ein durchwachsenes Ergebnis in Garmisch-Partenkirchen und eine schwere Niederlage in Innsbruck, als plötzlich gar kein Deutscher mehr unter den besten Zehn war.

Youngster überrascht erneut

In Bischofshofen ging es nicht nennenswert aufwärts. Geiger, der in Oberstdorf noch Vierter war, nahm wieder eine Nebenrolle ein. Youngster Raimund beendete seine verblüffende Tournee als Lichtblick erneut als bester Deutscher (Rang zwölf). Olympiasieger Wellinger musste auf der riesigen Paul-Außerleitner-Schanze seinem eigenen Gesundheitszustand trotzen, die vor allem am Donnerstag zu wünschen übrig gelassen hatte. "Mir geht es ein bissl besser, aber gut ist noch lange nicht das Stadium. Mein Energielevel ist ziemlich weit unten", sagte Wellinger, der Magenprobleme hatte.

Wieder deutliche Plusgrade

Das galt auch für das Schneelevel. Bis auf den Kunstschnee an den Schanzen war an den zehn Tagen von Oberstdorf bis Bischofshofen überhaupt nichts winterlich. In Garmisch standen manche Fans bei 15 Grad im T-Shirt im Auslaufbereich, in Bischofshofen gab es zunächst viel Regen und dann einen sonnigen Tag mit erneut deutlichen Plusgraden. "Es ist sehr, sehr traurig, egal an welcher Station. Wir hatten nirgendwo Schnee, außer hier an der Schanze. Das ist sehr traurig, wenn man darüber nachdenkt, dass es eigentlich ein Wintersport ist", sagte Raimund. Er geht davon aus, dass die Zukunft des Skispringens auf Matten stattfindet.