Mit dem Auto über den See: Wetterphänomen feiert Jubiläum: Vor 60 Jahren fror der Bodensee zuletzt komplett zu

9. Februar 2023 12:19 Uhr von Redaktion all-in.de
Es war ein Jahrhundertereignis: Vor 60 Jahren ist der Bodensee das letzte Mal komplett zugefroren. 'Seegfrörne' wird das Wetterphänomen genannte, das Europas größtes Binnengewässer im Februar 1963 in eine riesige Schlittschuhbahn verwandelt hat.
Es war ein Jahrhundertereignis: Vor 60 Jahren ist der Bodensee das letzte Mal komplett zugefroren. "Seegfrörne" wird das Wetterphänomen genannte, das Europas größtes Binnengewässer im Februar 1963 in eine riesige Schlittschuhbahn verwandelt hat.
picture alliance/dpa | Harry Flesch

Es war ein Jahrhundertereignis: Vor genau 60 Jahren ist der Bodensee das letzte Mal zugefroren. Der 63 Kilometer lange See wurde so zu einer riesigen Schlittschuhbahn. Lindauer liefen nach Österreich, Autos fuhren über den See und sogar ein Flugzeug landete im Lindauer Hafen. Ob sich dieses Spektakel jemals wiederholen wird, ist mit Blick auf den Klimawandel aber eher unwahrscheinlich. 

Auf einen kühlen Sommer folgt ein kalter Winter 

Damit Europas größtes Binnengewässer komplett zufriert, müssen einige Dinge zusammenkommen. Laut Experten muss auf einen kühlen Sommer ein sehr kalter Winter folgen. Und das Wichtigste: Der Winter muss früh beginnen. Über mehrere Monate hinweg muss es richtig zapfig sein.  Zuletzt passierte das im Winter 1962/63. Damals sanken die Temperaturen schon im Oktober unter Null Grad. Zuerst gefror das Wasser im flachsten Teil des Untersees und griff dann auf den Zeller See über, der 26 Meter tief ist. Nach etwa zwei Wochen bildete sich auch im Überlinger See Eis und eine Woche später auch im Obersee. Schließlich lag der komplette Bodensee unter einer Eisschicht - "Seegfrörne" nennt man das Phänomen. 

Autos fahren über den Bodensee

Im Januar war das Eis im Untersee schließlich so dick, dass die Behörden den See zwischen Hemmenhofen und Steckborn frei gaben. Kurze Zeit später war die Eisdecke so fest, dass Autos von Ufer zu Ufer fahren konnten, erklärt ein Sprecher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auf dem 536 Quadratkilometer großen Gewässer im Dreiländereck Deutschland, Österreich und der Schweiz tummelten sich damals zahlreiche Schlittschuhläufer und Fußgänger. Ungefährlich war eine Überquerung des Eises aber nicht. Die Seegfrörne forderte auch einige Todesopfer.

Prozession von Hagnau ins schweizerische Münsterlingen

Das größte Spektakel war aber die Eisprozession. Am 12. Februar 1963 versammelten sich rund 2.500 Menschen, um eine Holzbüste des Heiligen Johannes von der Bodensee-Gemeinde Hagnau auf die andere Uferseite in das schweizerische Münsterlingen im Kanton Thurgau zu begleiten. Damit folgten sie einer jahrhundertealten Tradition. "Die Büste wechselt seit dem Jahr 1573 bei jeder Seegfrörne das Ufer", sagt der Präsident der Kirchgemeinde Altnau-Güttingen-Münsterlingen, Otto Braun.

Büste wartet seit 60 Jahren auf seine Rückkehr

Seit 60 Jahren warte der Heilige Johannes auf der Schweizer Seite auf seine Rückkehr nach Deutschland. Aktuell sei die Büste in einem grünen Tresor aufbewahrt, so Braun. Eine Kopie sei in Münsterlingen in der Klosterkirche zu sehen. Ein Ravensburger Schnitzer soll die Holzschnitzerei einst gefertigt haben, wie Braun sagt. Über den Zweck der Prozession gebe es keine genauen Dokumentationen, die Geschichte dahinter sei unbekannt. Die Tradition habe aber zu einer Freundschaft zwischen den Gemeinden geführt.

Spektakel endet im März 1963

Ob der Heilige St. Johannes jemals wieder die Uferseite wechseln wird? "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt Braun. Dazu bräuchte es wieder eine Seegfrörne. Die Bedingungen dafür sind mit Blick auf den Klimawandel eher schlecht, wie der Deutsche Wetterdienst erklärt. Unmöglich sei es aber nicht. Zuletzt waren 2017 und 2002 Teile des Sees so zugefroren, dass Menschen sich darauf bewegen konnte. Alten Chroniken zufolge soll der Bodensee seit dem Jahr 875 37 Mal zugefroren sein. 1963 endete das Spektakel im März, als die Temperaturen wieder in die Höhe kletterten.

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